Eastern European Collectors
Knoll Galria Budapest

 

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Kritik/Media:

Maja és Reuben Fowkes, in: Time Out Budapest, 2011 April, p.66.

 

Video-Zusammenfassung über die Ausstellung:

vimeo.com/23979548

Text: Csaba Nemes.

Emotioneller Raum

Katarina Šević: 'Mesék a bányaból', (Tűzember, Tüntető kesztyűk, jelmezek), 2011

Ausstellende KünstlerInnen: Csaba Nemes, Katarina Šević

Kuratorin: Erzsébet Pilinger

23. März - 21. Mai 2011.

Die neuesten Arbeiten von Katarina Šević und Csaba Nemes evozieren die verschiedensten Formen und Aspekte des Erlebens und Darstellens des nationalen Daseins. Obwohl sie sich in ihren Werken den Erscheinungsformen des Nationalismus und der nationalen Repräsentation – handle es sich dabei um ein persönliches oder kollektives Erlebnis bzw. um die jeweiligen staatlichen Formen – kritisch und analysierend annähern, erschaffen sie durch die Themenwahl dennoch sogenannte emotionale Räume, die innerhalb einer Gesellschaft entstehen können.

Die „Kurultáj” Serie von Csaba Nemes stellt die Versammlung, ja das Festival einer bestimmten Menschengruppe dar, die ihre nationalen Gefühle kollektiv und kreativ, als Teil ihres Alltags erleben will. Die Versammlung findet auf einem künstlich eingerichteten, die alten, quasi herumziehenden Zeiten der Geschichte des ungarischen Volkes beschwörenden Ort statt, der zugleich als Inbegriff echter ungarischer Tradition wahrgenommen wird. Obwohl die Bilder auf Fotos basieren, ist durch die Technik und Herangehensweise von Nemes doch eine gewisse Distanz zur Realität zu spüren. Zwar sind die Orte auf Nemes’ Bildern in der Wirklichkeit existierende, reale Plätze, werden jedoch als Teil einer Vision dargestellt, deren Hintergrund Roger Brubaker folgendermaßen beschreibt:

„Der Nationalismus ist als eine Art heilsames politisches Handeln zu verstehen. Er weist einen als <pathologisch> empfundenen Zustand auf, und verspricht ihn zu heilen. Der Diskurs, der dem nationalistischen politischen Handeln – oder auf subdiskursiver Ebene den Gefühlen, auf die die nationalistische politische Denkweise zu wirken versucht – einen Rahmen gibt, und zugleich auch dessen Teil bildet, variiert immer das selbe Symptom: und zwar, dass die Politik, die politische Praxis und die jeweiligen politischen Institutionen ihre Aufgabe – die angenommene nationale Identität und die Interessen dieser Nation adäquat zu vertreten und zu verwirklichen – nicht erfüllen.

Katarina Šević befasst sich dagegen mit anderen Formen von Klischees der nationalen Repräsentation bzw. Identität. Anhand bereits vorhandener Dokumente und Erinnerungsfetzen versucht sie neue Szenarios zu schaffen. In ihren Story-Boards erscheinen dadurch solche Gedanken und Symbole, die die von Generation zu Generation oder sogar von Nation zu Nation immer wiederholende Rollen infragestellen.

Die Arbeiten von Csaba Nemes und Katarina Šević lassen sich jedoch auch durch das Begriffssystem von Svetlana Boym interpretieren, die zwischen zwei Arten, einer  restaurativen und einer reflexiven Nostalgie unterscheidet. Diese beiden Arten hält sie für jene Personen für charakteristisch, wo Nostalgie sogar ihr Verhältnis zu sich selbst, zu ihrer Vergangenheit, das in ihrer Vorstellung gestaltete Gesellschaftsbild, oder ihr Zuhause bestimmen. Ihrer Interpretation nach sind „die Merkmale der restaurativen Nostalgie typisch für die nationalen und nationalistischen Bewegungen überall auf der Welt, die zu den nationalen Symbolen und Mythen zurückkehren, und zwar durch die vollständige Rekonstruktion von Denkmälern der Vergangenheit, und die Rekonstruierung der Embleme und Rituale des Vaterlandes. Die reflexive Nostalgie imitiert dagegen nicht die Wiederherstellung eines mythischen Ortes, sondern thematisiert den Wunsch und Verlust eines ununterbrochenen Entwicklungsprozesses, der jedoch als unterbrochen aufgefasste Beziehung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft formuliert ist. Sie betont also nicht die Rückgewinnung der absoluten Wahrheit, sondern das Nachdenken über das Verrinnen der Geschichte und der Zeit. Solange sich die restaurative Nostalgie – indem sie die nationale Vergangenheit und die Zukunft beschwört – in die Richtung des Bereichs von Symbolen und der mündlichen Tradition bewegt, konzentriert sich die reflexive Nostalgie durch das subjektive und kollektive Gedächtnis eher auf die individuellen Narrative. Was also den referenziellen Rahmen betrifft könnte man wohl eine Gemeinsamkeit zwischen den beiden Arten feststellen, ihre Narrative und Identitätsvorstellung weichen jedoch weit voneinander ab. Die restaurative Nostalgie nimmt sich selbst todernst, während die reflexive Nostalgie auch ironisch oder humorvoll erscheinen kann und sogar sichtbar macht, dass Ideale und kritisches Denken nicht im Gegensatz zueinander stehen, und emotional definierte Erinnerungen keine Äquivalente für Beileid, Wertung und kritische Reflexion bedeuten.“

 

Übersetzt von Dorottya Csécsei